Mittwoch, 13. Juli 2011

Die unerträgliche Leichtigkeit des Sommers

Sommer. Schon allein das Wort lässt die Gefühlslage nach oben steigen und die Hormone in ungeahnte Höhen schnellen. Ja, ich bin ein Mann und mag den Sommer. Hübsche Damen, vorzugsweise Blondinen (jeder hat seinen Fetisch), wundervolle Tops, kurze Röcke…einfach toll…wenn ich nicht bei einem solchen Wetter arbeiten müsste. Wünschen sie sich nicht auch an den nächstgelegenen See oder an den erstbesten Strand? Hängematte, Sonnenmilch, die oder den Liebste(n) nebenan und ein Glas Caipirinha in der Hand. Ist das ein Leben. Und aus diesen Träumen werde ich mit „Tu mer ma en Tomma!“ herausgerissen. Für die Nichtrheinländer unter ihnen sei erwähnt, dass es sich bei dieser Bestellung, die mit einer Stimme irgendwo zwischen Tom Waits und Shane McGowan nach 4 Packungen Roth Händle und zwei Litern des billigsten Whiskys aufgegeben wurde, nicht etwa um einen chinesischen Kaiser der Ming-Dynastie oder des Onkels eines altägyptischen Pharaos im 12 Jhd. v. Chr. handelt, sondern ganz einfach um folgenden Auftrag: „Geben sie mir bitte eine Packung Thomapyrin!“
Alles klar? Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, der Sommer. Es ist nicht so, dass ich bei jedem kurzen Rock und einer etwas mehr betonten Brust mit Jaulen und Hufescharren reagiere, aber eine Episode ist mir mehr als in Erinnerung geblieben, bei der ich bis dato noch nicht weiß, ob sie mich nun glücklich gemacht hat oder der Knackpunkt des Unverständnisses bei vielen zukünftigen Kunden war.
Eine junge Dame, überflüssig zu betonen, dass sie blond war, betritt die Apotheke. Da, gelobt sei der Herr, leider kein anderer zur Verfügung stand, durfte ich den Wirklichkeit gewordenen Engel bedienen. Eine Beschreibung für die Herren (verzeihen sie bitte meine Damen): Kurzer, weißer Minirock bis gerade mal an das erste Drittel des Oberschenkels, lange, blonde Haare bis zum Gesäß, High-Heels, auf denen die Dame auch noch zu laufen wusste und ein paar blaue Augen, in welchen Mann gerne ertrunken wäre. Ich denke, dass sollte genügen, um den Speichelfluss anzuregen. Die Frau hatte sich in ihren Schuhen schlimme Blasen gelaufen und benötigte dringend Hilfe. Also verkaufe ich ihr ein spezielles Blasenpflaster und denke, dass die Sache damit erledigt ist. Weit gefehlt. Sie nimmt die Packung, setzt sich auf unseren Beratungsstuhl und fuchtelt an der Packung herum. „Können sie mir bitte noch einmal helfen?“, fragt sie mich mit einem Lächeln, das den Eisberg der Titanic in Luft aufgelöst hätte. „Ja, klar!“, sage ich und nehme die Packung entgegen, um sie zu öffnen. Ja, meine Damen, sie haben vollkommen Recht. Das zweite Gehirn des Mannes hatte die Kontrolle übernommen. Ich reichte ihr die geöffnete Packung, nur um benommen folgende Aufforderung zu hören: „Könnten sie mir das auch noch anlegen?“ In diesem Moment, wusste ich schon nicht, wie weit Service eigentlich gehen sollte. Aber was macht man als junger, männlicher Pharmazeut? Man hilft. Kurz das Pflaster angewärmt, die Folien abgezogen und…ja, dieses „UND“ macht es jetzt aus. Während ich das Pflaster anlege, schweift mein Blick kurz nach oben, um die Dame anzulächeln. Doch zu meinem Erstaunen streift mein Blick ihren Rock, der ganz aus Versehen noch ein Stück höher gerückt ist, und mir so mehr Informationen bietet, als ich eigentlich haben wollte. Ich sage nur: Es war ein wirklich heißer Sommer, bei dem jedes Kleidungsstück zuviel war. Mit weit geöffnetem Mund und wahrscheinlich noch größeren Augen bringe ich meine Serviceleistung zum Abschluss. Mit einem Lächeln und Augenzwinkern verabschiedet sie sich und lässt mich wie Obelix, wenn er zum ersten Mal Falballa begegnet zurück. Was war das?, frage ich mich bis heute und bin mir manchmal immer noch nicht sicher, ob ich nur geträumt habe, oder ob es doch Wirklichkeit war. Ich tendiere zu Letzterem, da ich eine wohlbekannte Stimme durch den Laden blöken höre:„Tu mer noch en Tomma“, vernehme ich aus viel zu kurzer Distanz und bin zurück aus dem Paradies.

Der Apobandicoot!

Samstag, 9. Juli 2011

Merkwürdig

Merkwürdig

Samstagnachmittag an meinem heiß geliebten und zugleich etwas obskuren Arbeitsplatz. Ich sitze im Notdienst draußen vor meinem Etablissement und lasse mir die Sonne auf den Pelz brennen. Eine Strafe diesen Tag bei allerschönstem Wetter mit Arbeiten verbringen zu müssen, anstatt an die nächstgelegene Wasserskibahn zum Wakeboarden zu fahren. Aber nun gut, dann nutze ich die Zeit eben, um meine mehr oder weniger einleuchtenden geistigen Ergüsse zu notieren. Und natürlich lässt der erste Kunde nicht lange auf sich warten. Schnell mein Hemd übergezogen und mit einem freundlichen Lächeln den Kunden begrüßen, der schon mit einem Gesicht den Laden betritt, als hätte es seit drei Wochen geregnet und pausenlos Leberwurstbrote zum Mittagessen gegeben.
„Ich will mein Cortison. Ich glaube 5 mg. Die größte Packung.“
Nach so vielen Jahren in diesem Job erstaunt mich immer wieder von neuem die Unfreundlichkeit und Dreistigkeit von etlichen Bewohnern dieses Planeten. „Guten Tag“ und „Bitte“ scheinen immer mehr aus der Mode zu kommen.
„Haben Sie ein Rezept, der Herr?“, frage ich eigentlich nur aus rhetorischen Gründen, obwohl mir die Antwort hinlänglich bekannt ist.
„Natürlich nicht. Ihre Kollegen hier im Dorf stellen sich da auch nicht so an.“
Dies wirft mal wieder meinen üblichen Fragenkatalog auf: a) Welche Kollegen?; b) Warum geht der Typ nicht mal früher zum Arzt?; c) Warum immer ich?
Es kommt was kommen muss. Nach einem kurzen Disput, wie unfähig ich doch ganz im Gegensatz zu meinen Kollegen sei, bin ich noch so höflich und versuche seinen Hausarzt zu erreichen. Aber an einem so schönen Tag ist der natürlich auch nicht in seiner Praxis, sondern sonnt sich bestimmt auf der Terrasse oder fährt mit dem BMW-Cabrio durch die Gegend. Es bleibt also nur der Gang zum Notdienstarzt im Krankenhaus. Unter wüsten Beschimpfungen verlässt der Herr den Saal und ward nie wieder gesehen. Was will der Künstler uns damit sagen?, fragen sie. Da mir, und sicherlich bin ich nicht der einzige Apotheker, solche Episoden andauernd passieren, stelle ich mir persönlich ein paar Fragen: a) Muss ich immer höflich bleiben und dem Image des Apothekers einen Dienst erweisen? Warum scheint es immer wieder gewisse Kollegen zu geben, die jedem Hinz und Kunz, seinen Willen geben, wenn er nur genug Terror macht? Sind wir schon so weit gekommen, dass wir Cialis, Adumbran und am besten noch anabole Steroide so verkaufen? Wird da mal halbwegs über den Tellerrand geschaut und überlegt, welche Konsequenzen das eigene (nicht ganz koschere) Handeln für den nächsten Apotheker hat? Frustriert und wütend zugleich, so lässt sich meine Gefühlslage nach diesen Vorfällen beschreiben. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Einem Stammkunden ein Dauermedikament vorab zu geben ist an einem Samstag oder Freitagnachmittag mehr als gerechtfertigt. Bei allem anderen hören der Spaß und das Verständnis für mich auf.

In diesem Sinne, ihr Apobandicoot.

Apothekenalltag goes GAGA

Liebe Kollegen,

zwiespältig stehe ich unserem Beruf, unseren Aufgaben gegenüber. Dies hängt sowohl mit unseren mehr oder weniger lieb gewordenen Patienten als auch mit dem einen oder anderen Kollegen zusammen. Apropos Kollegen. Stellen Sie sich einmal vor, sie sind aus energiepolitischen Gründen gezwungen, einmal pro Woche in ihrer Apotheke zu übernachten. Was läge näher, bevor man sich der grenzdebilen Glotze und deren Daily Soaps hingibt, als noch 1,5 Stunden länger geöffnet zu haben? O.K., den großen Gewinn kann man sicherlich nicht erzielen, aber in der Servicewüste Deutschland, kann man seinen Kunden doch ein klein wenig entgegenkommen. Erst recht, wenn die Gegend bäuerlich, ländlich ist und die ebenfalls länger öffnenden Ärzte das Angebot mehr als begrüßen. Nochmals das Stichwort: Service!!! Exakt 12,5 Stunden später: Das allseits beliebte und um 8.30 Uhr vor der ersten Tasse Koffein nervende Klingeln der Deutschen Telekom. Der nette Kollege, Mitte 40, und dem Gehilfen von Madame Medusa aus Disneys „Bernhard und Bianca“ rein äußerlich nicht unähnlich ruft an: „Wie können Sie nur bis 20.00 Uhr donnerstags geöffnet haben ohne mich vorher zu informieren?“ Mindestens drei Fehler beging der Kollege in diesem Moment: 1. Guten Morgen, vergessen. 2. Die Uhrzeit, die es unmöglich macht, dass ich meine 3 Tassen Kaffee schon inhaliert hatte. 3. Selbstüberschätzung seiner eigenen Position, die noch nicht mal mit dem Alter und/oder der Frustration zu erklären ist. Hatte ich vergessen zu erwähnen, dass der gleiche Kollege, einen Deal mit einem Sanitätsfachgeschäft organisiert hatte und diesem die Hilfsmittelrezepte zuwies? Hallo, ich glaube es hakt. Ist es nicht möglich, bei aller Konkurrenz, sich halbwegs vernünftig unter Kollegen zu Verhalten? Oder bin ich nur zu jung und naiv um die Lage zu überblicken? Kollegialität, meine lieben Kollegen, sollte jedem noch ein Begriff sein. Schauen sie mal in unsere Satzungen.

Der Apobandicoot!